Interview

„Bestens für die Zukunft aufgestellt“: Prof. Dr. Josef Schrädler über die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan

1040 wurde die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan von Benediktinermönchen gegründet und gilt damit als die älteste noch bestehende Brauerei der Welt. Traditionell und gleichzeitig modern, denn sie liegt in Freising auf dem Weihenstephaner Berg, umgeben vom vergleichsweise noch sehr jungen Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München. Genau hier, also unweit der Brauerei, promovierte Prof. Dr. Josef Schrädler bevor er 2000 Direktor der Brauerei wurde. Seit dem Jahr 2000 hat er den Umsatz bis heute vervierfacht, verschiedene Investition getätigt und die Staatsbrauerei so bestens für die Zukunft aufgestellt.

Über seine damalige Vision, die Entwicklung der Brauerei, Meilensteine, aber auch Widerstände sowie die weiteren Ziele haben wir mit Prof. Dr. Josef Schrädler im Interview gesprochen.

Herr Dr. Schrädler, Sie leiten seit 2000 die Geschicke der Bayerischen Staatsbrauerei Weihenstephan. Gehen wir einmal zurück zum Anfang: Wie sah Ihr Werdegang vor Weihenstephan aus?

Dr. Josef Schrädler: Ich habe mich ganz klassisch für die Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München entschieden und mich innerhalb des Studiums auf die Gebiete Industriebetriebswirtschaftslehre und empirische betriebswirtschaftliche Forschung spezialisiert. Direkt nach meinem Abschluss ging ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die TU nach Weihenstephan und promovierte am BWL-Lehrstuhl.

Nebenberuflich durfte ich selbstständig bei der Unternehmensberatung Weihenstephan GmbH arbeiten. Nach der Promotion bin ich fest ins Team der Unternehmensberatung Weihenstephan GmbH gewechselt. Nach einigen Beratungsprojekten in der Getränkebranche, ging ich im März 2000 dann schon zur Bayerischen Staatsbrauerei Weihenstephan als Brauereidirektor.

Wie genau kam es dazu, dass Sie Direktor der Brauerei wurden?

Dr. Josef Schrädler: Bei meinem letzten Beratungsprojekt ging es um die beiden Staatsbrauereien Hofbräu München und Weihenstephan. Nach einigen Jahren in der Beratung wollte ich es selbst mal versuchen und habe dann bei Weihenstephan angefangen. Zu Beginn dachte ich, ich mache das jetzt fünf Jahre, dann ziehe ich weiter. Ich bin aber dann doch etwas länger geblieben. Angebote kamen immer mal wieder rein, aber es hat jederzeit viel Spaß gemacht, war interessant und es hat sich auch viel getan. In Kombination mit dem Lehrauftrag an der TU München-Weihenstephan ist das einfach eine runde Sache. Wenn’s nicht langweilig wird, passt’s sowieso.

Wie war die Brauerei im Jahr 2000 aufgestellt?

Dr. Josef Schrädler: Die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan war zur Jahrtausendwende noch etwas kleiner. Die Brauerei lag bei etwa 170.000 hl und war auch auf diese Größe ausgelegt. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Bier in elf Länder exportiert. Nachdem damals schon abzusehen war, dass in Deutschland der Bierkonsum weiter zurückgeht, haben wir kontinuierlich versucht, neue Märkte zu erschließen. Wir wollten letztlich durch eine gewisse Risikostreuung ein Portfolio an Geschäftsmöglichkeiten generieren, was nachhaltig ein stabiles Wachstum ermöglicht.

Mit welcher Vision sind Sie an Ihre damals neue Aufgabe herangegangen?

Dr. Josef Schrädler: Wir wollten die Marke Weihenstephan national und international als hochpreisige Spezialität positionieren, der Distributionsschwerpunkt sollte zunächst bei der Gastronomie liegen. Weihenstephan sollte national und international für höchste Bierqualität stehen. Die Markenattribute waren ja schon vorhanden: Weihenstephan als Ursprung des Bieres in Kombination mit der TU im Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation. Da kann man schon was erzählen (lacht).

Wie haben Sie diese Vision über die Jahre in die Tat umgesetzt?

Dr. Josef Schrädler: Durch Konsequenz, Kontinuität und ganz viel Geduld. Wenn Sie eine Marke von Anfang an sehr hochpreisig in einen neuen Markt einführen, dauert es einfach, bis eine nennenswerte Verkaufsmenge herauskommt. Aber das Wachstum entwickelt sich dann in der Regel nachhaltig. Freilich kommt es dabei auch immer auf den jeweiligen Geschäftspartner bzw. Importeur an. Heute exportieren wir in über 60 Länder.

Die Mischung aus durchgehend höchster Qualität und Internationalität durch die schon vorhin erwähnte Risikostreuung, bildet sozusagen die Grundlage für unser stabiles Wachstum und hat uns übrigens auch ganz gut durch die herausfordernden Krisenjahre gebracht.

Welche Meilensteine konnten Sie in dieser Zeit erreichen?

Dr. Josef Schrädler: Nachdem wir zurückblickend den Umsatz vom Jahr 2000 bis heute praktisch vervierfachen konnten, waren natürlich eine ganze Reihe von Erweiterungs- und auch Ersatzinvestitionen notwendig.

Los ging es 2003 mit der Erweiterung und Erneuerung des Gärkellers für die obergärigen Biere, darauf folgte der Neubau eines großen Lagerkellers für untergärige Biere sowie die vollständige Automatisierung der Brauerei vom Sudhaus bis zur Filtration. 2014 wurde die Flaschenabfüllung erneuert und kurz danach die Sudhauskapazität auf 600.000 hl erhöht. Danach folgte der Bau eines weiteren Lagerkellers. Unser Logistikzentrum, das 2019 eröffnet wurde, ist das Ergebnis langfristiger Planungen. Das war für uns wirklich Gold wert: So konnten wir uns zum einen Platz auf dem Weihenstephaner Berg in der Produktion verschaffen, der aber sofort durch drei neue Projekte eingenommen wurde: Wir haben jetzt eine eigene Verpackungsanlage im Haus und zudem neue Gerätschaften für die Entalkoholisierung und Filtration. Zum anderen haben wir aber nun auch im Logistikzentrum den Raum, um die komplexen Verpackungs- und Versandprozesse in über 60 Länder auf höchstem Niveau abwickeln zu können.

Und nicht zu vergessen, unser jüngstes Investitionsprojekt natürlich, den Bau unseres neuen Kombikellers. Vor zwei Jahren begann die Planung, die Grundsteinlegung war im Frühjahr 2023. Offiziell wird er im Juli dieses Jahres eingeweiht. Der Kombikeller war notwendig, weil die Nachfrage nach untergärigen Bieren bei uns massiv anstieg. Durch die längeren Reifezeiten mussten wir für mehr Kapazitäten sorgen. Zwölf Tanks wurden bereits aufgestellt, jetzt ist noch Platz für zwölf weitere. In den letzten Jahren haben wir mit Leihtanks gearbeitet, um unsere Kapazitäten zumindest übergangsweise zu erhöhen, das ist jetzt glücklicherweise vorbei.

Welche großen Widerstände und Probleme sind in all der Zeit aufgetreten?

Dr. Josef Schrädler: Tatsächlich häuften sich in jüngster Zeit die Herausforderungen wie noch nie in meiner Laufbahn als Brauereidirektor. Von Corona über den Krieg in der Ukraine mit den wirtschaftlichen Konsequenzen für alle Märkte bis hin zum Krieg in Israel, einem für uns sehr wichtigen Exportland, kommen wir aus dem Krisenmodus eigentlich kaum noch heraus.

Wir beobachten diese Entwicklungen mit Sorge – aber nicht nur wegen des Geschäfts. Über die Jahre sind durch unsere exportorientierte Strategie Geschäftspartner zu Freunden geworden. Die humanitären Katastrophen überschatten das Geschäft natürlich.

Wie sieht der aktuelle Ist-Zustand der Brauerei aus? Wie ist sie im Gesamtmarkt positioniert?

Dr. Josef Schrädler: Wir sind bestens für die Zukunft aufgestellt. Durch unsere Investitionen der vergangenen Jahre steht die Brauerei in einem sehr guten Zustand da. Wir wachsen kontinuierlich national vor allem in unserem Kerngebiet und international – nicht nur auf den Ausstoß bezogen. Mittlerweile stehen wir bei über 180 Mitarbeitern, die dafür sorgen, dass es die Weihenstephaner Bierspezialitäten rund um den Globus gibt.

In den letzten Jahren sind wir konsequent den Weg von einer Weißbierbrauerei hin zu einer Sortimentsbrauerei gegangen und haben nun 16 unterschiedliche Bierspezialitäten in unserem Portfolio, in unterschiedlichen Flaschen- und Fassgrößen. Und was uns zudem prägt ist, dass wir eine große, starke Gastronomiemarke geworden sind.

Blick nach vorne: Was haben Sie sich kurz- und langfristig vorgenommen?

Dr. Josef Schrädler: Ich bin jetzt 61 Jahre alt und möchte in einigen Jahren die Brauerei in einem tadellosen Zustand übergeben können. Ich denke, dass wir dafür mit all unseren Investitionen der letzten Jahre und unserem eingeschlagenen Weg gut für die Zukunft vorbereitet sind.

Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan | Website | LinkedIn | Instagram | Facebook

+++ Wir bedanken uns bei Prof. Dr. Josef Schrädler für das offene und sehr interessante Interview! Wenn auch Sie eine interessante Marke haben, dann sollten wir uns unterhalten. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff „about-drinks Interview“ an redaktion@about-drinks.com – wir freuen uns auf Ihren Kontakt! +++

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