Erfinder Benjamin Kammerer im Gespräch

Aus dem Einmachglas: BosinGin – der erste Schwarzwälder Speckrauch Gin

Das 1.800-Seelen-Dorf Bösingen bei Rottweil am Rande des Schwarzwaldes ist regional bekannt für sein florierendes Metzgerhandwerk. Haupterzeugnis ist der berühmte Schwarzwälder Speck – und auf den ist man in Bösingen besonders stolz. So stolz, dass dieser nun auch für die Herstellung eines Gins verwendet wird. Die Freunde Jürgen Kutzner, Uwe Haag und Benjamin Kammerer haben mit ihrem BosinGin den ersten Schwarzwälder Speckrauch Gin erfunden – stilecht abgefüllt im Einmachglas.

Im Interview erzählt Benjamin Kammerer von der Idee zum Gin, der Herstellung und dem Geschmack. Zudem verrät er, woher der Name BosinGin kommt und was es mit dem Einmachglas auf sich hat.

Wer steckt hinter BosinGin?

Benjamin Kammerer: Wir sind drei Freunde aus dem kleinen Dorf Bösingen bei Rottweil am Rande des Schwarzwaldes: Jürgen (80 Jahre), Uwe (55) und ich, Benjamin (34). Eigentlich brennen wir auf der Destille von Jürgen für unseren Hausgebrauch seit vielen Jahren richtig feine Obstbrände. Dabei setzen wir auf höchste Qualität – wir haben ja keinen Preisdruck. Seit einiger Zeit produzieren wir aber auch den BosinGin und haben sehr viel Spaß an diesem Projekt.

Unsere Altersstruktur ist ja nicht gerade alltäglich. Wir haben einfach zusammengefunden über die Leidenschaft zum tollen Produkt der Brände. Zudem singen Jürgen und ich zusammen im Männergesangverein.

Die Erfinder des BosinGins (v.l.): Benjamin Kammerer, Jürgen Kutzner und Uwe Haag.

Woher kommt der Name BosinGin?

Benjamin Kammerer: Das ist ein überragendes Wortspiel, das von meiner Frau stammt. Der Legende nach ist der Namensgeber des Dorfes Bösingen der sagenumwobene Alemannenfürst Bosingin, der vor etwa 2.000 Jahren hier mit seiner Sippe lebte. Er findet sich zum Beispiel auf dem traditionellen Häs (Kostüm) unserer Narren an der Fasnet (Fastnacht) wieder. Meiner Frau ist das Wortspiel sofort ins Auge gefallen, als ich ihr erzählte, dass wir uns mal an Gin probieren wollen. So stand der Name sogar vor dem Produkt.

Den Schwarzwald verbinden viele mit dem Schwarzwälder Speck. Und den nutzen Sie tatsächlich in Ihrem Gin?

Benjamin Kammerer: Ja, das ist zugegebenermaßen eine etwas verrückte Idee. Aber wir verwenden wirklich die vom Fett gereinigten Schwarten vom traditionell geräucherten Schwarzwälder Speck im Gin.

Woher kam diese Idee?

Benjamin Kammerer: Unser Heimatdorf Bösingen ist weithin bekannt für sein florierendes Metzgerhandwerk. Wir haben 1.800 Einwohner und neun (im weitesten Sinne) Metzgereien. Alle sind sehr stolz auf den berühmten Speck, der aus dem Dorf kommt. Speck ist bei uns eine Art Religion. Unser Gesangverein richtet entsprechend alle zwei Jahre das Speckfest für die Dorfbevölkerung aus. So richtig, wie man sich das vorstellt: mit zünftiger Musik, Schwarzwälder Vesperbüffet, die Mehrzweckhalle schön im Thema Schwarzwald und Heimat dekoriert.

Herzstück des Fests ist unsere Schnapsbar mitten in der Halle. Dort schenken wir unsere Brände aus und überlegen uns auch immer etwas Besonderes. Als Jürgen im Vorfeld auf das Fest zum ersten Mal auf uns zukam mit der Idee, einen Gin zu machen, waren wir beiden anderen erst eher skeptisch. Wir wollten uns eigentlich nicht an der herrschenden Gin-Flut beteiligen. Trotzdem haben wir ein bisschen rumgesponnen und uns überlegt, welche Art von Gin denn überhaupt zu einem „Speckdorf“ und seinem Speckfest passen würde. Die im ersten Moment scherzhafte Idee des Speck-Gins gewann mit der Zeit (und dem einen oder anderen Gläschen nebenher) immer mehr an Gefallen.

So ist einer der Hauptbestandteile unseres Specks eben Wacholder. Auch sonst sind sich Speck und Gin bei den Gewürzen bzw. Botanicals verblüffend ähnlich. Irgendwann ist mir auch noch in den Sinn gekommen, was ich in meinem Studiensemester in Mexiko gesehen hatte: Bei einem sehr hochwertigen Mezcal wird beim Brennvorgang eine Hühnerbrust in die Brennblase gehängt. Was der Mexikaner kann, kann der Schwarzwälder schon lange – und so kam es zum BosinGin.

Wie sieht die Herstellung aus?

Benjamin Kammerer: Grundsätzlich setzen wir bei der Herstellung auf eine Mischung aus Mazeration und Geistkorb. Die Botanicals mit schwer flüchtigen Aromen werden unterschiedlich lange mazeriert, die leicht flüchtigen kommen in den Geistkorb. Zusätzlich zum Geistkorb hängen in unserer Brennblase eben auch noch Speckschwarten. Beim Brennen strömt das Destillat somit an diesen Schwarten vorbei und nimmt den charakteristisch würzigen Geschmack auf. Außer dem Speck verwenden wir Orangen- und Zitronenzesten sowie Ingwerwurzel, um eine schöne Frische in das Glas zu bringen. Lavendel- und Rosenblüten bringen feine florale Noten. Koriandersamen, Rosmarin und Zimt bringen weitere Würze. Insgesamt also ein sehr vielschichtiger Gin.

Zum Verdünnen nutzen wir Quellwasser aus dem Schwarzwald, was dazu führt, dass er – trotz seiner 45% Vol. – sehr weich schmeckt. Lustigerweise verändert sich die Aromatik des Brandes während des Brennvorgangs sehr stark. Während der erste Teil des Brandes sehr stark nach Zitrus und floralen Noten schmeckt, kommt der rauchige Geschmack erst ganz am Ende zum Vorschein. Erst im fertigen Blend kommt dann der letztendliche Geschmack zustande.

© fink_ginial / https://www.instagram.com/fink_ginial/

Schmeckt der Gin tatsächlich nach Speck?

Benjamin Kammerer: Einfach auf den Punkt gebracht: ja. Bevor wir diese Frage näher beleuchten, müssen wir uns aber klar machen, dass das Wort Speck in verschiedenen Regionen Deutschlands unterschiedlich verstanden wird. In unserem lokalen Sprachgebrauch meint Speck den geräucherten Schwarzwälder Schinken. Der ist nicht zu verwechseln mit Frühstücksspeck (Bacon). „Unser“ Speck zeichnet sich durch seinen würzig-salzig-rauchigen Geschmack aus. Und genau diese Aromatik findet sich auch im BosinGin wieder.

Wir haben hier in unseren Versuchsbränden großes Augenmerk darauf gelegt, dass einem der Speckrauch nicht voll ins Gesicht springt, sondern angenehm eingebunden wird. Wir wollten ja einen Gin machen und keine Speck-Spirituose. Somit würde ich ihn als eher klassisch-würzigen London Dry Gin mit fein ausbalancierter Speckrauch-Aromatik bezeichnen. Also das Beste aus zwei Welten!

Wie fällt das bisherige Feedback aus?

Benjamin Kammerer: Sehr positiv – aber nicht nur positiv. Die Allermeisten sind sich einig, dass der Gin handwerklich top gemacht ist. Beim Speckrauch-Aroma scheiden sich aber die Geister. Wir haben von „Bester Gin der Welt“ bis „Untrinkbar! Wenn ich Speck will, dann mache ich Brotzeit“ schon alles gehört. Wobei wir gut mit negativem Feedback umgehen können, da wir uns bewusst sind, dass wir etwas recht Extremes machen und damit auch polarisieren wollen. Es war nicht unser Anspruch, einen „Everybody’s Darling“ zu machen. Eine Nutzerin auf Instagram hat uns mal als „Gin-Punker“ bezeichnet, worüber wir uns sehr gefreut haben.

Insgesamt haben wir die Wahrnehmung, dass sich die Gin-Welt freut, dass auch mal jemand etwas geschmacklich wirklich Neues macht, anstatt sich nur über die Optik des Etiketts zu definieren, oder ob die Zitronen jetzt aus Sizilien oder aus Mallorca kommen.

Abgerundet wird das Markenbild durch die besondere Flasche. Erzählen Sie uns davon.

Benjamin Kammerer: Tatsächlich sind wir bei der Verpackung den Weg des „Andersseins“ konsequent weiter gegangen und füllen somit in ein „aufgemotztes“ Einmachglas ab. In den Deckel haben wir einen Ausgießer eingearbeitet, so dass man unfallfrei einschenken kann.

Die Geschichte dahinter ist, dass unser Kollege Jürgen in den Anfängen seiner Brennertätigkeit vor ca. 20 Jahren zwar gut gebrannt hat, aber keine passenden Flaschen zum Abfüllen hatte. Allerdings war er ein passionierter Joghurtesser und hatte somit immer genügend Joghurtgläser zuhause. Darin landete der Schnaps und das wurde schnell zu einer Art Markenzeichen im näheren Umfeld. Das haben wir beim Gin aufgegriffen und spielen mit dieser Geschichte.

Es hat aber nicht nur einen romantischen Grund, sondern auch einen knallharten Marketingansatz: Sichtbarkeit im Gin-Regal. Die Kaufentscheidung fällt bei unbekannten Gins in erster Instanz auf der optischen Ebene. Hier heißt es, dass der Käufer erst mal bei deinem Produkt hängen bleibt. Das funktioniert eben nur durch Etikett und Flasche. Nun sind wir in erster Linie Gin-Brenner und keine Designer; auch hatten wir kein Budget für einen Designer. Das führt dazu, dass das Label eher einfach gehalten ist. Daran arbeiten wir aber derzeit und holen uns mit dem bisher verdienten Geld auch professionelle Hilfe für ein schöneres Labeldesign.

Also brauchten wir eine Flasche, die sich unterscheidet. Es kam nicht in Frage, eine unfassbar schöne – und damit teure Flasche zu nehmen. Das macht den Gin nur teurer ohne aromatischen Mehrwert. Somit kam der schwäbische Ansatz zum Vorschein und wir haben aus der Not eine Tugend gemacht.

© the.ginzo | https://www.instagram.com/the.ginzo/

Welche Botschaft möchten Sie mit Ihrem BosinGin vermitteln?

Benjamin Kammerer: Wir wollen damit klar ein Bekenntnis zu unserer Heimat machen, die wir lieben. Der Beschreibungstext auf unserer Flasche ist auch auf Schwäbisch abgedruckt, weil das einfach zu uns gehört. Außerdem wollen wir den Leuten eine Freude machen. Wir wollen, dass sie über unser Produkt diskutieren und eine gute Zeit haben.

Zu guter Letzt wollen wir dem Gin-Boom auch ein bisschen den Spiegel vorhalten. Es soll ein Zeichen für handwerklich leidenschaftlich hergestellte Produkte sein, bei denen nicht der Mittelpunkt der Marke die Insta-Seite und der Apfel-Computer ist, sondern der Inhalt im Glas, der mit Liebe, Geschick und Kreativität hergestellt wird.

Wo ist der Gin erhältlich?

Benjamin Kammerer: Bisher sind wir im südlichen Baden-Württemberg bei einigen Edekas, Rewes und Getränkehändlern vertreten. Für die Leute, die nicht das Glück haben, in unserer Region leben zu dürfen, ist das Produkt auch bei gins.de zu finden. Zuletzt hatten wir auch Anfragen aus Italien und Dänemark.

Im nächsten Schritt wollen wir auf die Gastronomie zugehen, da der Gin eine Spielwiese für findige Barleute ist. Leider hat uns Corona da bisher einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Welche Maßnahmen nutzen Sie für die Vermarktung?

Benjamin Kammerer: Der Hauptbestandteil der Maßnahmen besteht darin, die Händler zu bitten, das Produkt zu listen und prominent zu platzieren. Daneben haben wir an einige Influencer, wie z.B. fink_ginial oder the.ginzo, Proben geschickt mit der Bitte, den Gin zu bewerten.

Was steht konkret auf Ihrer To-do-Liste für Ihren BosinGin?

Benjamin Kammerer: Wir wollen auf jeden Fall bekannter werden, so dass BosinGin jedem Gin-Nerd und Barkeeper in Deutschland – oder darüber hinaus – zumindest mal ein Begriff ist. Außerdem planen wir eine Haustür-Edition, bei der wir komplett alle Botanicals selber pflücken, ernten oder anbauen möchten. Und wir wollen weiterhin richtig Spaß bei unserer Arbeit haben. Und um ehrlich zu sein: Natürlich wollen wir auch so viel wie möglich verkaufen.

Wie genießt ein echter Schwarzwälder den Gin? Wird zu dem Gin Speck gereicht?

Benjamin Kammerer: Ich trinke unseren BosinGin am liebsten pur oder als Munich Mule mit Ginger Ale, Zitruszeste und Gurke. Außerdem als Dry Martini mit einem schönen Vermouth, wenn ich am nächsten Tag nix vorhabe. Der zündet nämlich gut rein und ich trinke selten nur ein Glas, wenn es schmeckt. Ich muss aber dazu sagen, dass wir in erster Linie Brenner und keine Barkeeper sind. Wir haben da aber schon die coolsten Sachen auf Instagram gesehen – unter anderem auch gerne mit gebratenem Speck serviert.

Ein Bäckermeister hat ein Gin-Baguette mit BosinGin kreiert, das besonders gut zum Grillen passt. Richtig geile Nummer! Allgemein haben viele BosinGin als ihren offiziellen BBQ-Gin ausgerufen, was tatsächlich sehr gut passen sollte. In dem Wissen, dass 95% der Gin-Trinker am liebsten mit Tonic trinken, haben wir uns auch in dieses Thema eingearbeitet. Hier passt Mistelhain Signature extrem gut, aber da wissen Ihre Leser sicherlich besser Bescheid als wir.

BosinGin | bosingin.de | facebook.com/Bosingin.Schwarzwald | instagram.com/bosingin.schwarzwald

+++ Wir bedanken uns bei Benjamin Kammerer für das offene und sehr interessante Interview und wünschen weiterhin viel Erfolg! Wenn auch Sie eine interessante Marke haben, dann sollten wir uns unterhalten. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff „about-drinks Interview“ an redaktion@about-drinks.com – wir freuen uns auf Ihren Kontakt! +++

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