MBG Group: Andreas W. Herb über Homeoffice, Unternehmenskultur und echte Zusammenarbeit
„Ich bin nicht gegen Homeoffice, ich bin gegen den Irrglauben, dass man Kultur, Führung und Wachstum digitalisieren kann.“ Als 2020 alle Welt vom Ende des Büros sprach, blieb Andreas W. Herb, CEO der MBG Group, skeptisch. Während Morgan Stanley, Barclays oder Goldman Sachs verkündeten, die Zukunft liege im Homeoffice, war für ihn klar: Das kann auf Dauer nicht funktionieren.
Im Interview spricht Andreas W. Herb über die unterschätzten Folgen von Remote-Arbeit, die Bedeutung gelebter Unternehmenskultur und warum echte Innovation Zeit, Nähe und Reibung braucht.
Andreas, 2020 sprachen viele vom endgültigen Siegeszug des Homeoffice. Wie hast du damals auf diese Entwicklung geblickt?
Andreas W. Herb: Ich war von Anfang an skeptisch. Während Banken wie Morgan Stanley oder Goldman Sachs ankündigten, das Büro langfristig zu ersetzen, war für mich klar: Das kann so nicht funktionieren. Viele haben damals blind geglaubt, was große US-Konzerne vorgaben. Aber ein Investmentbanker hat andere Realitäten als ein Unternehmer, der ein Team führen und Innovation gestalten muss. Ich wollte verstehen, wie sich solche digitalen Strukturen wirklich auf Menschen und Unternehmenskultur auswirken und nicht nur, was gerade modern klingt.
Fünf Jahre später scheint sich deine Prognose zu bestätigen. Wie beurteilst du die Entwicklung heute?
Andreas W. Herb: Genau das habe ich 2020 vorausgesagt, nicht aus Nostalgie, sondern aus Erfahrung. Heute kehren selbst die Banken, die damals das Homeoffice als Zukunft gefeiert haben, zurück zur Präsenzpflicht. Goldman Sachs, Morgan Stanley, selbst die Deutsche Bank fordern ihre Teams längst wieder zu vier oder fünf Tagen Präsenz auf. Und das aus gutem Grund: Ein Unternehmen lebt von Energie, Reibung, Tempo. All das geht verloren, wenn man Zusammenarbeit auf Videokonferenzen reduziert.
Warum ist aus deiner Sicht Präsenz für Unternehmen mehr als reine Kontrolle?
Andreas W. Herb: Weil im Büro mehr passiert als nur Arbeit. Da entstehen Ideen, weil Menschen sich sehen, hören, widersprechen. Innovation passiert nicht im geplanten Zoom-Slot, sondern zufällig zwischen Meetings, beim Kaffee, im Flurgespräch. Diese Zwischenräume sind der Sauerstoff eines Unternehmens. Präsenzkultur heißt für mich nicht Kontrolle, sondern Verbindung. Führung funktioniert durch Haltung, Resonanz, Mentoring und das geht nur, wenn Menschen sich regelmäßig begegnen.
Gibt es aus deiner Sicht auch Risiken für die Unternehmenskultur, wenn Teams zu lange ausschließlich remote arbeiten?
Andreas W. Herb: Absolut. Ich sehe in vielen Organisationen, dass sie zwar kurzfristig effizienter werden, aber mittelfristig ihre Seele verlieren. Es geht um Identität. Wenn sich Teams nur noch digital treffen, schwindet das Wir-Gefühl. Dann arbeiten Menschen für eine Firma aber nicht mehr mit ihr. Diese Distanz verändert die Kultur tiefgreifend.
Viele Mitarbeiter schätzen das Homeoffice. Wie gehst du mit diesem Wunsch um?
Andreas W. Herb: Ich verstehe den Wunsch nach Flexibilität. Und Homeoffice hat in bestimmten Situationen auch seine Berechtigung. Aber echtes Wachstum entsteht im Austausch. Gerade junge Kolleginnen und Kollegen lernen, indem sie andere erleben und nicht, wenn sie allein vor dem Bildschirm sitzen. Im Büro passiert Entwicklung, nicht im stillen Kämmerlein.
Gibt es auch handfeste Vorteile für Mitarbeiter, die regelmäßig im Büro arbeiten?
Andreas W. Herb: Definitiv. Studien zeigen: Wer regelmäßig im Büro ist, wird häufiger befördert, lernt schneller, empfindet mehr Sinn in seiner Arbeit. Das Büro schafft Struktur, Trennung und Energie. Im Homeoffice verschwimmt alles: Arbeit, Freizeit, Familie. Viele merken erst nach Jahren, wie sehr das langfristig auslaugt.
Was bedeutet das für die Zukunft der Arbeit? Wird es das Homeoffice in deiner Welt nicht mehr geben?
Andreas W. Herb: Doch, aber nicht als Grundprinzip. Homeoffice ist ein Werkzeug und kein Konzept für die Zukunft. Ich will keine Modetrends bedienen, sondern ein Umfeld schaffen, in dem Menschen sich begegnen, Ideen wachsen und Unternehmen lebendig bleiben. Die Zukunft gehört nicht dem Trend, sondern der Substanz. Und Substanz entsteht dort, wo Menschen gemeinsam an einem Tisch sitzen.
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+++ Wir bedanken uns bei Andreas W. Herb für das offene und sehr interessante Interview! Wenn auch Sie eine interessante Marke haben, dann sollten wir uns unterhalten. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff „about-drinks Interview“ an redaktion@about-drinks.com – wir freuen uns auf Ihren Kontakt! +++