„Fester Bestandteil der Konsumkultur“ – Geert Swaanenburg (HEINEKEN) über alkoholfreies Bier
Kaum ein Segment im Biermarkt hat sich in den letzten Jahren so dynamisch entwickelt wie das der alkoholfreien Biere. Getrieben von einem wachsenden Gesundheitsbewusstsein, veränderten Konsumgewohnheiten und dem Trend zu bewussterem Genießen hat sich alkoholfreies Bier vom einst belächelten Randprodukt zu einem festen Bestandteil der Getränkekultur entwickelt – national wie international. HEINEKEN spielt bei dieser Entwicklung eine zentrale Rolle und ist mittlerweile die weltweit führende alkoholfreie Biermarke.
Im Interview haben wir mit Geert Swaanenburg, Managing Director HEINEKEN Deutschland, über die Marktdynamik, gesellschaftliche Trends, Herausforderungen im Umgang mit Vorurteilen und über die strategischen Ziele von HEINEKEN in diesem wachsenden Segment gesprochen.
Noch vor wenigen Jahren galt alkoholfreies Bier als Randerscheinung. Das ist nun anders. Können Sie einige Zahlen nennen, wie der Markt sich entwickelt hat und wie er aktuell aufgestellt ist?
Geert Swaanenburg: In den letzten Jahren hat sich der Markt für alkoholfreies Bier rasant entwickelt. 2024 konnte HEINEKEN das Volumen seiner 0.0-Variante im Jahresvergleich um 10 % steigern und ist damit mittlerweile die weltweit führende alkoholfreie Biermarke. Letztes Jahr wurden insgesamt weltweit über 12 Millionen Hektoliter an Low & No Alcohol-Produkten verkauft, mit besonders starken Märkten wie Brasilien und den USA.
In Deutschland zeigt sich ebenfalls eine spannende Entwicklung: Die beliebtesten Sorten im Jahr 2024 waren laut Nielsen alkoholfreies Pils (35,8 % Marktanteil), alkoholfreies Weizen (22,4 %) und alkoholfreies Radler (19,1 %). Gleichzeitig sehen wir bei alkoholfreiem Helles (+42,4 %) und alkoholfreies Lager (+34,2 %) hohe Wachstumsraten – was wir für Heineken 0.0 als ein sehr vielversprechendes Ergebnis wahrnehmen.
Diese Zahlen unterstreichen, wie dynamisch und etabliert der Markt für alkoholfreies Bier mittlerweile ist. Sie zeigen auch, wie HEINEKEN dank seiner Widerstandsfähigkeit und Innovationskraft in diesem Markt ein langfristiges Wachstum erzeugen konnte.
Wie wird sich die Entwicklung des alkoholfreien Bieres Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren fortsetzen?
Geert Swaanenburg: Wir sehen alkoholfreie Alternativen nicht mehr nur als kurzfristigen Trend: Sie entwickeln sich zu einem festen Bestandteil der Konsumkultur. Ein wachsendes Bedürfnis nach „Sober Socializing“, also dem gemeinsamen Feiern ohne Alkohol, treibt diese Entwicklung stark voran. In den Niederlanden sehen wir beispielsweise vermehrt „Sober Clubs“ – Clubs, in denen Feiernde auf alkoholhaltige Getränke verzichten.
Besonders jüngere Generationen spielen hier eine zentrale Rolle: Denn auch wenn die Generation Z noch einen geringeren Anteil des Bierkonsums darstellt, ist diese Altersgruppe bei der Getränkewahl deutlich wählerischer. Sie legen unter anderem einen großen Wert auf Funktionalität.
Wie erklären Sie sich das? Warum spielt alkoholfreies Bier eine immer wichtigere Rolle?
Geert Swaanenburg: Die Art und Weise, wie Menschen feiern und Gemeinschaft erleben, verändert sich grundlegend. Konsumentinnen und Konsumenten streben zunehmend nach Ausgewogenheit, ohne dabei auf Genuss verzichten zu wollen. Alkoholfreie Optionen sind heute das ganze Jahr über gefragt, nicht nur während Initiativen wie „Dry January“ oder „Sober October“. Dieser Wandel ist auch mit einem verstärkten Wunsch der Gesellschaft gesünder und bewusster zu Leben einhergehend – eine HEINEKEN-Befragung aus dem Jahr 2023 zeigte, dass weltweit 46% der Konsumentinnen und Konsumenten sich stark mit ihrer körperlichen Gesundheit auseinandersetzen.
Allgemein betrachtet hat sich die Wahrnehmung gegenüber alkoholfreien Alternativen geändert: Eine gemeinsame Studie von HEINEKEN und der Universität Oxford belegt, dass 66 % der Gen Z und Millennials alkoholfreies Bier als positiven Trend empfinden. Trotzdem bleiben die Ansprüche an alkoholfreies Bier hoch: Sie sollen genauso genussvoll sein wie ihre alkoholhaltigen Pendants. Diesem Anspruch stellen wir uns mit voller Überzeugung.
Dennoch bestehen weiterhin Herausforderungen. Welche sind das?
Geert Swaanenburg: Die größten Herausforderungen liegen nicht nur in der Verfügbarkeit, sondern auch in der Wahrnehmung alkoholfreier Biere. Alkoholfreie Biere gibt es zwar schon seit Jahren, aber sie galten lange Zeit als weniger geschmackvoll, qualitativ minderwertig oder als „zweite Wahl“. Als wir 2017 mit Heineken 0.0 auf den Markt kamen, konnten wir mit einem starken Fokus auf Geschmack und Qualität diese Vorurteile durchbrechen.
Gleichzeitig gibt es gesellschaftliche Hürden: Laut unserer Studie in Kooperation mit der Universität Oxford wurde ein Fünftel der Gen Z bereits für die Wahl eines alkoholfreien Getränks hinterfragt. Über ein Drittel fühlt sich in sozialen Situationen zum Alkoholkonsum gedrängt. Und 51 % der Befragten geben an, in Situationen wo sie eigentlich keinen Alkohol trinken wollen, sich letztlich doch anders zu entscheiden. Hier besteht weiterhin Aufklärungsbedarf – und als internationaler Bierbrauer sehen wir uns in der Verantwortung diese Stigmen aufzudecken.
Was können die Hersteller tun, um diese Herausforderungen anzugehen? Wie sind Politik, Verbände und andere dabei gefragt?
Geert Swaanenburg: Als internationale Biermarke setzt HEINEKEN gezielt auf Kooperationen mit lokalen Verbänden und Initiativen, um alkoholfreies Bier breiter zugänglich zu machen und bestehende Herausforderungen aktiv anzugehen. Unser Ziel ist es, alkoholfreie Alternativen zu demokratisieren und damit eine nachhaltige und verantwortungsvolle Zukunft der Brauindustrie sicherzustellen.
Wir wollen ein Vorbild sein, sowohl durch unsere Produkte als auch durch unser gesellschaftliches Engagement. Dafür unterstützen wir zum Beispiel gemeinsam mit dem Deutschen Brauer-Bund präventive Maßnahmen für einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol.
Seit Anfang 2024 sind wir auch Mitglied des unabhängigen FORUM BIER, das sich für ein positives Image der Brauwirtschaft und verantwortungsvollen Konsum einsetzt. Dazu gehören unter anderem Präventions- und Aufklärungsarbeit und die Investition in Kampagnen zu unterschiedlichen Themen. Investitionen der Braunindustrie in Präventionskampagnen tragen Früchte: Der Anteil der unter 16-Jährigen, die regelmäßig trinken oder bereits einen Rausch erlebt haben, ist deutlich gesunken. Dennoch gibt es weiterhin Handlungsbedarf, damit noch weniger Kinder und Jugendliche frühzeitig Alkohol probieren oder übermäßig trinken. Wir setzen uns mit Nachdruck dafür ein.
Im Rahmen Ihrer Unternehmensstrategie EverGreen setzen Sie gezielt auf die Stärkung des alkoholfreien Segments. Mit welchen Maßnahmen?
Geert Swaanenburg: Alkoholfreies Bier ist ein wichtiger Baustein unserer EverGreen-Strategie. Die Unternehmensstrategie ist ein langfristiger, strategischer Plan zur nachhaltigen und profitablen Weiterentwicklung des Unternehmens. Sie zielt darauf ab, HEINEKEN mit einem starken Fokus auf nachhaltigem Wachstum und verantwortungsvollem Handeln widerstandsfähiger, innovativer und verbrauchernäher aufzustellen. Mit Heineken 0.0 setzen wir ein klares Zeichen für nachhaltigen und verantwortungsvollen Konsum. Unser Ziel ist es, die Kategorie durch Innovation voranzutreiben – stets mit Fokus auf die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden.
Dabei setzen wir auf unsere eigene Zero Brewing Technology. Der Entalkoholisierungsprozess erfolgt dabei besonders schonend: Wir entziehen dem Bier den Alkohol mittels Vakuumdestillation. Dieser Prozess ermöglicht es, den Alkohol bei niedrigen Temperaturen zu entfernen. Das ist besonders wichtig, um die natürlichen Aromen und die Qualität des Bieres zu erhalten. Anschließend wird das Bier mit natürlichen Aromen fein abgestimmt, um ein ausgewogenes Geschmackserlebnis zu schaffen.
Seit über 20 Jahren investieren wir in Forschung und Entwicklung, um alkoholfreies Bier geschmacklich und qualitativ auf höchstem Niveau anzubieten. Wir besitzen aktuell über F&E-Zentren auf der ganzen Welt und arbeiten eng mit Wissenschaftsteams und Brau-Experten zusammen.
Zudem arbeiten wir aktiv daran, alkoholfreie Alternativen zu normalisieren: 2025 planen wir in Deutschland eine Kampagne unter dem Motto „0.0 Reasons Needed“, um die Stigmen rund um Alkoholkonsum – oder Nicht-Konsum – zu bekämpfen.
Welche alkoholfreien Produkte führt HEINEKEN im Portfolio?
Geert Swaanenburg: Im Rahmen unseres „Always a Choice“-Ansatzes konzentrieren wir uns auf eine breite Verfügbarkeit alkoholfreier Optionen. Heineken 0.0 ist inzwischen in 117 Märkten verfügbar, aber bis Ende 2025 möchten wir in 90 % der Schlüsselregionen vertreten sein. Wir achten dabei besonders darauf, dass unser Portfolio den Wünschen unserer Kunden widerspiegeln. Demnach vertreiben wir in Deutschland neben Heineken 0.0 auch Desperados 0.0 und Gösser 0.0.
International bauen wir unser Portfolio ebenfalls aus – zum Beispiel mit der Einführung einer alkoholfreien Cider-Marke in Großbritannien. Besonders spannend ist auch die steigende Nachfrage nach Heineken 0.0 vom Fass: In Großbritannien, den Niederlanden, Irland und Spanien ist das bereits Realität. Nehmen wir mal das Beispiel der Niederlande: Dort bieten 84 % der Gastronomiebetriebe Heineken 0.0 an, und ein Drittel des Fassbierabsatzes von Heineken 0.0 entfällt dort inzwischen auf Sportvereine. Um dieser Nachfrage gerecht zu werden und die Qualität der Heineken 0.0 Genussmomente zu garantieren, investieren wir außerdem in Schulungen für die Gastronomie.
Gibt es Pläne für eine Portfolioerweiterung um mögliche neue alkoholfreie Biere?
Geert Swaanenburg: Wir beobachten die Wünsche unserer Kundinnen und Kunden sehr genau und entwickeln unser Portfolio kontinuierlich weiter. Wenn der Markt neue Impulse setzt, sind wir bereit, unser Angebot entsprechend zu erweitern.
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+++ Wir bedanken uns bei Geert Swaanenburg für das offene Interview! Wenn auch Sie eine interessante Marke haben, dann sollten wir uns unterhalten. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff „about-drinks Interview“ an redaktion@about-drinks.com – wir freuen uns auf Ihren Kontakt! +++