Angels Envy Interview
Interview

Angel’s Envy: Master Distiller Owen Martin über den Cask-Finished Bourbon Whiskey

„When Other Bourbons Stop Angel’s Envy Finishes“ ist auf der Website von Angel’s Envy zu lesen. Und tatsächlich: Die Marke ist die erste im amerikanischen Bourbon-Markt, die ausschließlich auf Finished Whiskeys aufgebaut wurde. Während das Finishing der Spirituosen in Europa gängig ist, ist es in Amerika noch immer ein ziemlich unbekannter Prozess. Bourbon darf dort zu Beginn nur in einem neuen Weißeichenfass gereift werden. Traditionell endet die Reifung danach, also war die Anwendung des Finishings in anderen Fässern eine neue Idee. Angel’s Envy hat eine europäische Tradition genommen und sie erstmals in großem Maßstab auf amerikanischen Whiskey angewendet. Verantwortlich dafür ist seit Oktober 2022 Owen Martin. Er ist der erste Master Distiller, der nach dem Tod des Mitbegründers und Master Distillers Lincoln Henderson im Jahr 2013 ernannt wurde. 

Wir haben mit ihm im Interview über seinen Weg vom Bier zum Bourbon, die Besonderheit und die Herstellung von Angel’s Envy gesprochen. Zudem verrät er, wie er das Erbe von Lincoln Henderson ehrt und gleichzeitig seine eigene Vision in die Marke einbringt.

Bitte stellen Sie sich vor: Was ist Ihre Position bei Angel’s Envy und wie sind Sie in die Welt des Bourbons gekommen?

Owen Martin: Seit Oktober 2022 bin ich der Master Distiller bei Angel’s Envy und der erste, der nach dem Tod des Mitbegründers und Master Distillers Lincoln Henderson im Jahr 2013 ernannt wurde.

Tatsächlich bin ich über das Brauen von Craft Beer in die Bourbon- und allgemeiner in die Whisky-Welt eingestiegen. Ich habe meinen Bachelor-Abschluss in Maschinenbau gemacht, aber ich wusste immer, dass ich nicht in diesem Beruf weitermachen wollte, weil meine wahre Leidenschaft woanders lag. Ich habe mit dem Brauen von Bier als Hobby angefangen und begonnen, mich zu fragen, wie ich dies mit einer richtigen Ausbildung vertiefen könnte. Das war zur Blütezeit des Craft-Beer-Brauens in den USA, und alle Programme, die ich mir angesehen habe, waren entweder ausgebucht, hatten Wartelisten oder waren sehr teuer – und am Ende erhielt man nur ein Zertifikat. Also habe ich im Ausland nach Möglichkeiten gesucht und schnell genau das gefunden, wonach ich gesucht habe, in Edinburgh – einen Master-Abschluss in Brewing and Distilling Science an der Heriot-Watt University.

Also habe ich meine Sachen gepackt, bin nach Schottland gezogen und habe den Kurs begonnen. Während ich das Bierbrauen studierte und in den großartigen Pubs von Edinburgh Whisky trank, habe ich mich schnell dazu entschlossen, in die Whisky-Welt zu wechseln. Meine Masterarbeit habe ich in einer Lowland Single Malt-Brennerei geschrieben und dann bin ich in die USA zurückgekehrt. Ich habe ein paar Jahre lang in kleinen Bourbon-Brennereien gearbeitet und bin 2016 zur größten Single Malt-Brennerei in den Vereinigten Staaten gewechselt: Stranahan’s Colorado Whiskey. Dort habe ich mich zum Leiter der Brennerei und Produktionsleiter hochgearbeitet. Ich hatte die Möglichkeit, viel Forschung und Entwicklung zu betreiben, verschiedene Fässer und Fassenden auszuprobieren.

Natürlich kannte ich Angel’s Envy als Marke; für mich ist es der prominenteste Cask-Finished Whiskey in Amerika. Als diese Position frei wurde, habe ich diese einmalige Gelegenheit ergriffen. Im vergangenen Oktober bin ich nach Kentucky gezogen und seitdem voll im Einsatz.

Thema Cask Finishes: Was unterscheidet Angel’s Envy von anderen Bourbons auf dem Markt?

Owen Martin: Bourbon ist eine sehr traditionelle Kategorie, ähnlich wie schottischer Whisky in Schottland. Es gibt sehr strenge Vorschriften, was man tun und nicht tun kann, und Angel’s Envy ist die erste Bourbon-Marke, die ausschließlich auf Finished Whiskeys aufgebaut wurde. In Europa ist der Konsum von Finished Whiskeys aufgrund des Einflusses schottischer und irischer Destillate oder sogar von Whiskeys auf dem europäischen Festland recht gut verstanden. Aber in Amerika ist dies immer noch ein ziemlich unbekannter Prozess.

Bourbon kann nur in einem nagelneuen Weißeichenfass gereift werden. Traditionell endet es dort, also war die Anwendung eines Finishings eine neue Idee. Wir haben eine europäische Tradition genommen und sie erstmals in großem Maßstab auf amerikanischen Whiskey angewendet. Wir lagern unsere Bourbons fünf Jahre lang in den neuen Eichenfässern, dann mischen wir sie zusammen und geben sie in Fässer, die zuvor Portwein aus der Douro-Region in Portugal enthielten. Dieses Finish dauert etwa 3-6 Monate und rundet den Whisky ab, verleiht ihm eine gewisse Fruchtigkeit und Nussigkeit und fügt eine zusätzliche Schicht von Komplexität und Geschmack hinzu.

Wir haben einen Satz, der hinter unserer Bar in der Brennerei zu lesen ist: „Revere tradition, embrace progress.“ Das passt zu unserer Herangehensweise, etwas Bekanntes aus der schottischen Whisky-Produktion zu übernehmen und damit den traditionellen amerikanischen Bourbon frisch und neu wirken zu lassen. Wenn ich darüber nachdenke, was uns in Zukunft auszeichnen wird und welche Art von Experimenten ich machen möchte, dann liegt es in diesem Satz, der unsere Denkweise prägt.

Was kann ich von der Cognac- oder Rum-Industrie lernen, welche neuen Techniken des Blending und Finishings können wir von ihnen lernen und wie können wir das auf unser Produkt anwenden? Als vergleichsweise junge Firma haben wir weniger einen festen Plan, das ermöglicht mir ein Maß an Kreativität, das ich nicht hätte, wenn ich für eine Marke arbeiten würde, die seit hundert Jahren existiert. Und genau das ist meiner Meinung nach unsere Stärke – dieses „Out of the box“-Denken, das die nächste Generation von Whisky-Konsumenten anspricht.

Zur Herstellung: Welche sind einige wichtige Schritte oder Techniken, die zum charakteristischen Geschmacksprofil des Bourbons beitragen?

Owen Martin: Die wichtigste Voraussetzung, um Bourbon genannt zu werden, besteht darin, dass er in brandneuen Fässern gereift sein muss. Das ist sehr unterschiedlich zu schottischem oder irischem Whisky, wo die Fässer wiederverwendet werden. Außerdem muss man eine Mehrheit an Getreidesorten verwenden – bei Bourbon ist dies Mais, aber im Gegensatz zu europäischen Marken können wir verschiedene
Getreidesorten zusammenfügen. Wir verwenden eine Mischung aus 72% Mais, 18% Roggen und 10% Gerste, um verschiedene Aromen einzubringen: Der Roggen verleiht Schärfe, die Gerste verleiht Schokoladen- und nussige Noten und natürlich gibt es die Süße des Mais. Dies rundet den Charakter schön ab, bevor er in das brandneue Fass gelegt und dann im Portwein-Fass fertiggestellt wird.

Ein weiterer Unterschied ist, dass wir sehr moderne Destillationsapparaturen verwenden. Wir verwenden eine kontinuierlich laufende Kolonnenbrennerei, was ein weiterer Unterschied zu europäischen Brennereien ist, die meistens eine Pot Still verwenden. Und dann natürlich gibt es die zusätzliche Herausforderung des Finishings in qualitativ hochwertigen Portweinfässern für die richtige Zeit und dann den Schwerpunkt auf das Blending, um Konsistenz zu erreichen.

Der Name Angel’s Envy ist sehr interessant. Was ist die Geschichte dahinter und wie passt der Name zur Philosophie der Marke?

Owen Martin: Wenn Spirituosen reifen, verdunstet ein kleiner Teil der Flüssigkeit – den nennt man „Angel’s Share“ („Anteil der Engel“). Als Lincoln Henderson das fertige Produkt zum ersten Mal probierte, sagte er, dass die Engel zwar etwas davon probieren konnten, sie aber definitiv neidisch auf das sein sollten, was im Fass zurückgeblieben ist, weil er es so mochte. So haben wir unseren Namen bekommen: „Angel’s Envy“, also „Neid der Engel“.

Ich finde, er passt, denn obwohl unser Produkt definitiv von dieser Welt ist, verleiht unser Ansatz beim Finish ihm etwas Engelhaftes, wie eine magische Note, die im weichen und seidigen Nachgeschmack verweilt.

Angel’s Envy hat 2021 sein Debüt in Deutschland gegeben. Wie war die Resonanz bisher und was hat die Marke dazu bewogen, Deutschland als ersten internationalen Markt zu wählen?

Owen Martin: Deutschland verfügt über eine lebendige und anspruchsvolle Whisky-Szene mit zahlreichen Whisky-Festivals, Veranstaltungen sowie engagierten Bars und Geschäften, weshalb dies eine strategische und gleichzeitig intuitive Wahl für unseren ersten internationalen Markt war. Dadurch haben wir einen soliden Platz auf dem europäischen Markt etabliert.

Wir wollten uns mit deutschen Whiskyliebhabern verbinden und ihnen unseren einzigartigen Ansatz für Kentucky Bourbon und amerikanischen Whiskey im Allgemeinen vorstellen, daher war es für uns wichtig, diese Gelegenheit zu erkennen.

Wie kam und kommt Angel’s Envy bei deutschen Whiskey-Enthusiasten an?

Owen Martin: Die anfängliche Reaktion der deutschen Verbraucher war begeistert, da sie die Verpflichtung der Marke zur Qualität, Handwerkskunst und Innovation zu schätzen wissen. Die Präsenz von Angel’s Envy in Deutschland hat nicht nur eine neue und aufregende Option für Whiskey-Liebhaber eingeführt, sondern auch zur stetig wachsenden Whiskey-Kultur im Land beigetragen.

Gibt es Pläne für zukünftige Produktinnovationen oder spezielle Abfüllungen bei Angel’s Envy, auf die sich die Verbraucher freuen können?

Owen Martin: Wir sind immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, um die Grenzen des Bourbon-Handwerks zu erweitern. Im Moment arbeiten wir an einigen neuen Produkten und Experimenten, aber ich kann noch nicht zu viel verraten. Was ich jedoch sagen kann, ist, dass wir stets bestrebt sind, neue Fässer, Finishes und Blends zu erforschen, um einzigartige und spannende Geschmackserlebnisse zu schaffen. Unsere Verbraucher können sich definitiv auf weitere Produktinnovationen Abfüllungen freuen.

Das Erbe Ihrs Vorgängers Lincoln Henderson ehren und gleichzeitig Ihre eigene Expertise und Vision in die Marke einbringen – wie gelingt Ihnen das in Zukunft?

Owen Martin: Lincoln Henderson hat früher für ein sehr traditionelles und angesehenes Unternehmen für Spirituosenherstellung gearbeitet und war an der Konzeption einiger der bekanntesten amerikanischen Whiskey-Marken beteiligt. Aber wie immer, um Traditionen zu ehren, müssen wir auch vorwärts schauen und Dinge verbessern.

Meine Vision für Angel’s Envy ist es, weiterhin qualitativ hochwertige, innovative und kreative Whiskeys herzustellen, die die Grenzen des traditionellen Bourbon erweitern. Ich möchte die Marke aufregend und frisch halten und gleichzeitig das Erbe von Lincoln Henderson ehren, indem ich die gleiche Hingabe zur Handwerkskunst und zur Qualität beibehalte.

Welche Ziele und Ambitionen haben Sie konkret für Angel’s Envy?

Owen Martin: Ich plane, einige der bereits lange in unserem Keller gereiften Whiskeys zu nehmen und ihnen eine neue Note zu verleihen, indem ich sie in neuen und überraschenden Fässern von hoher Qualität finishen lasse. Dadurch können wir relativ schnell neue Produkte auf den Markt bringen. Natürlich erforschen wir auch neue Getreidesorten und Fermentationsprozesse, aber dies ist ein längerer Prozess und wird mehr Zeit in Anspruch nehmen, um umgesetzt zu werden.

Wo sehen Sie die Marke in den nächsten Jahren, sowohl national als auch international?

Owen Martin: Um auf den schon erwähnten Satz „Revere tradition, embrace progress.“ zurückzukommen, plane ich, die Tradition zu wahren und den Fortschritt zu begrüßen, während ich gleichzeitig den Verbraucher aufklären möchte. In den USA geht es darum, über das Finishen aufzuklären, während ich in Europa für die amerikanische Whisky-Industrie werben möchte.

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+++ Wir bedanken uns bei Owen Martin für das offene und sehr interessante Interview! Wenn auch Sie eine interessante Marke haben, dann sollten wir uns unterhalten. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff „about-drinks Interview“ an redaktion@about-drinks.com – wir freuen uns auf Ihren Kontakt! +++

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