Studie Bier: 2 von 3 Marken werden falsch gemanagt

Dieser Gastartikel wurde von Heinz Günther (Divergenz Marketing) zusammen mit Axel Meermann, Professor für Marketing und Kommunikation an der FH Vorarlberg, verfasst.

Der Bierdurst lässt nach:
In der Studie „Deutscher Markenreport 2014“ wird Unternehmen ein schlechtes Zeugnis bei der Markenführung ausgestellt. So verwechselt fast jedes 2. Unternehmen Markenführung mit Werbung, so ein zentrales Ergebnis. Aus diesem Anlass lohnt es sich beispielhaft die Brauindustrie im seit Jahren nachhaltig rückläufigen deutschen Biermarkt anzusehen, die von 1994 – 2014 über 20% Absatz verloren hat! Die Bierindustrie ist an dieser Situation nicht ganz unschuldig. So wurden bzw. werden immer noch die großen Fernsehbiere im LEH teilweise unter 10 € verhökert. Der Aktionsanteil hat sich von 27% im Jahre 2003 auf ca. 70% im Jahre 2013 erhöht. Zu diesen Preiskämpfen kamen noch negative Berichte über parallel durchgeführten Preisabsprachen hinzu. Der Wettbewerb unter den Marken, der eigentlich Wachstumsimpulse fördern soll, wurde durch diese Preisabsprachen unterbunden und die stark durch Werbung unterstützten Marken setzen ihr Markenterrains mangelhaft oder widersprüchlich um.

2 von 3 Marken werden falsch geführt
Warsteiner stellt einen exklusiven Premiumanspruch, ist aber z.B. nicht selektiv bei der Distribution. Der Eckkiosk oder die Tankstelle passen eigentlich nicht ins Bild, genauso wenig wie die oben beschriebenen Rabattschlachten. Auf die Einführung von Biermixgetränken hätte man als „Königin der Biere“ verzichten müssen. Auch das Verlassen der Exclusiv-Positionierung Anfang 2014 macht das Durcheinander nicht besser. Die neue Werbelinie ‘mach das einzig Wahre’ ist eine Beck’s Imitation von ‘Folge deinem inneren Kompass’ und passt überhaupt nicht zum Markenimage von Warsteiner und wird diese auch nicht ersetzen können (Anmerkung: Nach meiner Beobachtung wurde der TV-Spot zwischenzeitlich wieder vom Markt genommen). Die strategische Ratlosigkeit ist meistens daran zu erkennen, dass man als Ziel formuliert, die alten Verwender zu halten und jüngere Verwender hinzu zu gewinnen. Das hatte sich „Asbach uralt“ auch einmal vorgenommen. Ein nachhaltiger Zick Zack Kurs und widersprüchliche Umsetzungen machten aus der ehemaligen Nr. 1 die Nr. 4. In diesem Jahr sollen die Verluste bei ca. 10% liegen! Dies könnte bedeuten, dass man in 2014 evtl. nur noch Platz 5 oder 6 belegt! Wenn man die Daten genau analysiert, kommt man zum Ergebnis, dass die Marke seit 20 Jahren kontinuierlich verliert und aktuell gegenüber 1994 ca. 4 Mio. hl oder ca. 60% verloren hat! Eine ehemalige Markenikone befindet sich auf der Intensivstation.

Beck’s hatte allerbeste Voraussetzungen in der klaren Positionierung männlich, jung und Abenteuer. Mit Beck’s Gold (“Mädchenbier”) beginnt eine nicht endende Marketingblase von immer neuen Bierinnovationen (Beck´s Lime, Asia, Green Lemon alkoholfrei, Beck´s Blue etc.), die fast alle gescheitert sind und die Marke schrittweise verwässert hat. Beck´s gehört in den letzten Jahren zu den größten Verlierern im deutschen Markt. 9 Deutschland-Chefs in 11 Jahren sind das Ergebnis einer falschen Unternehmens- bzw. Markenpolitik.

Krombacher als drittes Beispiel zeigt, dass es auch anders geht. Langfristig „Natur“ als Positionierung beibehalten und bei neuen Produkten nur die Basissorten wie Weizen, Radler und Hell einführen und kein „level 7“ oder eine „twisted Orange“. Alle Brandingmaßnahmen der letzten Jahre haben konsequent auf die Positionierung und somit auf die Marke eingezahlt. Ergebnis: In den letzten 10 Jahren konnte Krombacher 5% dazulegen, während der Gesamtmarkt 2-stellig verlor!

Was lernen wir daraus?
Alle 3 Marken haben eigentlich eine klare Positionierung, sind divergent aufgestellt. Exklusivität für Warsteiner, Abenteuer für Beck´s und Natur für Krombacher. Aus der Divergenzperspektive eigentlich ideale Voraussetzungen. Bei Warsteiner hat man viel zu oft an dem Markenkern vorbeikommuniziert und aktuell eine Positionierung eingeschlagen, die zur Marke nicht passt und auch nicht passend gemacht werden kann. Beck´s dagegen hat sich in Line Extension verloren. Nur Krombacher ist seinem Markenkern – mit all seinen Initiativen – treu geblieben und belohnt worden. Somit trifft ein Leitsatz der Divergenztheorie auch für den Biermarkt zu. Markenführung bedeutet auch „die Kunst des Verzichtens“, womit gemeint ist, dass die Markenführung sich an eng definierten Leitplanken orientieren muss und nicht jeder (vermeintlichen) Gechäftschance nachlaufen sollte.

Innovationsverständnis fehlt
Die großen Brauer versuchen seit einiger Zeit sich ein zweites Standbein im AfG-Segment aufzubauen, indem sie neue Marken kreieren und einführen. Hier sind bis jetzt alle Player grandios gescheitert, ein Indiz dafür, dass die Brauer das Konsumentenmarketing noch nicht so richtig verinnerlicht haben. Dies trifft auch für die „Krombachers“ zu, wobei hier zu erwähnen ist, dass sich Krombacher seit 2006 die Marken – und Vertriebsrechte u.a. für die international erfolgreiche Marke Schweppes gesichert hat. Dies ist sicherlich ein kluger Schachzug gewesen und man ist auch hier der Konkurrenz mindestens eine Nasenlänge voraus, wenn nicht sogar zwei. Mögen die besseren Strategen gewinnen.

Quelle: Heinz Günther Divergenz-Marketing | divergenz-marketing.com

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