Kaffee
Interview

Kaffeekrise: Dr. Sebastian Brandis über regenerativen Kaffeeanbau als Lösung

Kaffee steckt in der Krise: Er wird knapper, teurer – und in manchen deutschen Supermärkten bereits in Vitrinen weggesperrt, um zunehmendem Diebstahl vorzubeugen. Woran das liegt? Die globale Nachfrage nach Kaffee steigt, doch die Ernteerträge sinken. Grund dafür sind unter anderem die Folgen des Klimawandels: Unvorhergesehene Dürren und Wetterextreme setzen den Anbaugebieten massiv zu. Gleichzeitig führt der Verlust resilienter Vielfalt durch Monokulturen zu merklichen wirtschaftlichen Problemen. Klar ist: Um dem Preisanstieg entgegenzuwirken, braucht es einen grundlegenden Wandel.

Regenerative Anbaumethoden bieten eine Lösung. Sie stärken Böden, Biodiversität und Klimaresilienz – und sichern langfristig Erträge und Einkommen. In Äthiopien, dem Ursprungsland des Kaffees, unterstützt die Stiftung Menschen für Menschen (MFM) Bäuerinnen und Bauern dabei, genau auf solche Anbaumethoden umzusteigen. Was das konkret bedeutet und warum das auch für uns Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland relevant ist, erklärt Dr. Sebastian Brandis, Vorstandssprecher der Stiftung Menschen für Menschen, in vier Fragen und Antworten.

Herr Dr. Brandis, ist unsere morgendliche Tasse Kaffee in Gefahr?

Dr. Sebastian Brandis: Kaffee steckt mitten in einer globalen Krise. Aber ich kann Sie beruhigen: Sie werden auch in Zukunft nicht auf Ihren Kaffee am Morgen verzichten müssen. Dafür muss sich aber einiges beim Anbau tun. Der Klimawandel setzt Kaffeepflanzen weltweit stark unter Druck, während die Nachfrage weiterhin ansteigt. Es braucht daher dringend einen Wandel in den Anbaumethoden, um diesen Herausforderungen gerecht werden zu können.

Wie wirkt sich die aktuelle Kaffeekrise auf Kaffeebauern in Äthiopien aus?

Dr. Sebastian Brandis: Die globale Kaffeekrise ist auch in Äthiopien spürbar – mit gemischten Folgen für den lokalen Kaffeemarkt. Zwar sind die Weltmarktpreise für Rohkaffee gestiegen, wovon Exporteure kurzfristig profitieren. Doch dieser Preisaufschwung kommt nicht automatisch bei den Bäuerinnen und Bauern an. Gleichzeitig leidet der Kaffeeanbau unter dem Klimawandel: Dürren, unregelmäßige Regenzeiten und ausgelaugte Böden machen die Produktion unberechenbar.

Kaffeeanbau

Projektgebiet Dano: Askala Diriba ist Modellfarmerin für regenerativen Kaffeeanbau in Dano. (Copyright: Stiftung Menschen für Menschen; Fotograf: Rainer Kwiotek)

Der Kaffeemarkt ist eines der sichtbarsten Beispiele für die wirtschaftlichen Folgen des Nichtstuns im Kampf gegen den Klimawandel und Biodiversitätsverlust. Umso wichtiger ist es jetzt umzusteuern: Gerade die derzeit profitierenden Akteure sollten in die Umstellung auf regenerativen Kaffeeanbau investieren.

Was genau bedeutet regenerativer Kaffeeanbau?

Dr. Sebastian Brandis: Regenerativer Kaffeeanbau zielt darauf ab, Böden, Wasserhaushalt und Biodiversität aktiv zu regenerieren. Im Zentrum steht die Agroforstwirtschaft: Kaffee wächst dabei nicht in Monokulturen, sondern gemeinsam mit Schattenbäumen, Obst, Gemüse und Gewürzen. Die Pflanzen werden so gewählt, dass sie das lokale Ökosystem stärken und den Boden verbessern. Landwirtschaftliche Abfälle werden, beispielsweise durch Wurmkompost, konsequent zurück in die Felder gegeben, die Bewässerung an lokal verfügbare Wasserquellen angepasst.

Bei Menschen für Menschen begleiten wir diesen Wandel ganzheitlich mit Schulungen, Materialien und klimaresilienten Setzlingen aus eigenen Baumschulen. In unseren 13 Projektregionen in Äthiopien haben bereits rund 25.000 Bäuerinnen und Bauern erfolgreich auf diese Form des Kaffeeanbaus umgestellt.

Wie profitieren Kaffeebauern in Äthiopien von dieser Anbaumethode?

Dr. Sebastian Brandis: In Äthiopien gibt es durch bergige Landschaft und kleinstrukturierte Landwirtschaft kaum großflächige Plantagen. Regenerative Agroforstwirtschaft ist daher ideal: Sie steigert die Produktivität auf kleinen Flächen, verbessert die Ernährungssicherheit und macht den Anbau widerstandsfähiger gegen den Klimawandel. Fällt eine Kultur aus, sichern andere weiterhin Erträge. Kaffee ist in Äthiopien nicht nur Exportgut, sondern tief im Alltag verwurzelt – rund zwei Drittel des Anbaus bleiben im Land.

Kaffeesetzlinge

Projektgebiet Boreda: In einer Baumschule werden Kaffeesetzlinge herangezogen. (Copyright: Stiftung Menschen für Menschen; Fotograf: Rainer Kwiotek)

Für viele Bäuerinnen und Bauern ist Kaffee ein sogenanntes „Cash-Crop“ und der erste Schritt aus der reinen Selbstversorgung hin zu regelmäßigem Einkommen. Die Erträge liegen jedoch oft deutlich unter dem internationalen Schnitt. Durch Schulungen, bessere Pflege und Lagerung kann die Produktivität schnell um das Zwei- oder Dreifache gesteigert werden. Genau hier setzt Menschen für Menschen an.

Haben auch wir – die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland – etwas davon?

Dr. Sebastian Brandis: Ja – ganz direkt. Kaffee ist eine extrem klimaempfindliche Pflanze und braucht spezifische Bedingungen, um in guter Qualität zu wachsen: bestimmte Höhenlagen, passende Böden und Wasser zum richtigen Zeitpunkt. Der Klimawandel verändert genau diese Faktoren. Die Anbauflächen werden knapper, die Ernten unsicherer. Regenerativer Anbau ist deshalb eine Art Versicherung für die Zukunft: Er hilft, Bodenqualität zu erhalten, Wasserkreisläufe zu stabilisieren und Pflanzen widerstandsfähiger zu machen.

Auch große Anbauländer wie Brasilien oder Vietnam suchen inzwischen nach regenerativen Lösungen, weil die industrielle Landwirtschaft zunehmend an ihre Grenzen stößt. Wer heute regenerativ angebauten Kaffee unterstützt, trägt dazu bei, dass es auch morgen noch bezahlbaren Kaffee gibt.

Zur Person Dr. Sebastian Brandis

Dr. Sebastian Brandis ist seit 2016 Vorstandssprecher der Stiftung Menschen für Menschen, die sich seit vielen Jahren erfolgreich für eine integrierte und nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit in Äthiopien einsetzt. Davor war er jahrelang in leitenden Funktionen in verschiedenen Unternehmen der IT- und Telekommunikationsbranche tätig. Heute vereint er daher Wirtschafts- und NGO-Expertise in einer Person.

Über Menschen für Menschen

Die Stiftung Menschen für Menschen bringt seit über 40 Jahren gemeinsam mit der Bevölkerung in Äthiopien die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung voran. In aktuell dreizehn ländlichen Projektregionen setzen rund 530 festangestellte äthiopische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die ganzheitlichen Projekte um. Mit über 200 nachhaltigen Maßnahmen in den Bereichen Landwirtschaft, Wasser, Bildung, Gesundheit und Einkommen unterstützt die Organisation die Menschen dabei, ihre Lebensumstände aus eigener Kraft zu verbessern.

Den Grundstein für die Stiftung legte 1981 der Schauspieler Karlheinz Böhm (gest. 2014) in der Sendung „Wetten, dass..?“. Menschen für Menschen trägt durchgehend seit 1993 das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI).

Weitere Informationen: www.menschenfuermenschen.de

Quelle/Bildquelle: Stiftung Menschen für Menschen
Titelbild: Dr. Sebastian Brandis, Copyright: Stiftung Menschen für Menschen | Cedric – stock.adobe.com

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