Wertschöpfung aus Biertreber: Dr. Mark Schneeberger über EAT BEER
Die EAT BEER Biotech GmbH bringt als junges Unternehmen frischen Wind in die Brau- und Lebensmittelbranche. Als Schwesterfirma der Störtebeker Braumanufaktur in Stralsund hat sich EAT BEER auf die Fermentation von Biertreber zu hochwertigen Pilzproteinen spezialisiert – ein innovativer Beitrag zur Kreislaufwirtschaft und nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion.
Wie genau das funktioniert, erklärt Dr. Mark Schneeberger, Chief Technology Officer der EAT BEER Biotech GmbH, im Interview. Er spricht über die Entstehungsgeschichte, die Technologie hinter der modularen Produktionsplattform und die Chancen für Brauereien, aus Nebenströmen neue Wertschöpfung zu generieren.
Herr Schneeberger, 2023 wurde EAT BEER gegründet. Woher kam die Idee dazu?
Dr. Mark Schneeberger: Das Unternehmen hat eine längere Vorgeschichte, die über einen spannenden Kontakt zustande kam: Prof. Dr. Holger Zorn von der Uni Gießen. Er forscht schon seit geraumer Zeit am Thema Fermentation mittels Pilzen und hat die Störtebeker Braumanufaktur angesprochen, ob wir nicht gemeinsam an einer Aufwertung von Treberproteinen arbeiten wollen.
So kam es schließlich zu dem gemeinschaftlichen RUBIN (Regionale Unternehmerische Bündnisse für Innovation) Forschungsprojekt „MaltFungiProtein“. Aus diesem heraus hat sich dann – als Schwesterunternehmen von Störtebeker – EAT BEER herausgegründet.
Der Name EAT BEER passt übrigens gut zu der Idee, Treber zu hochwertigen Proteinen zu fermentieren. Wir legen uns nicht darauf fest, eine Grundlage ausschließlich für Fleischersatz herzustellen, sondern lassen die Nutzungsmöglichkeiten unserer Proteine offen. Ob neue Lebensmittel, vegane Käse- oder Wurstprodukte oder einfach mit Proteinen angereicherte Snacks – die Möglichkeiten sind vielfältig.
Was genau hat Biotech mit der Brau- und Lebensmittelbranche zu tun?
Dr. Mark Schneeberger: Zuerst einmal: Der Begriff Biotech klingt so innovativ und wird aktuell fast nur im Kontext von Innovationen verwendet. Dabei nutzen wir das Prinzip der Biotechnologie – also den Einsatz von Mikroorganismen zur Lebensmittelherstellung – seit Tausenden von Jahren ganz gezielt, um etwa Käse, Wein, Bier oder Brot herzustellen.

Malte Nordmann, Geschäftsführer von EAT BEER
EAT BEER nutzt nun die Pilze, die wir im Rahmen des „MaltFungiProtein“ Projekts speziell entwickelt haben, um aus Biertreber hochwertige Proteine zu produzieren, die sich zu neuen Lebensmitteln weiterverarbeiten lassen. So können wir aus den Rohstoffen für die Bierherstellung gleichzeitig auch feste Nahrungsgrundstoffe erzeugen.
Inwieweit ist die Störtebeker Braumanufaktur in das Unternehmen involviert?
Dr. Mark Schneeberger: Störtebeker war ein treibender Teil des „MaltFungiProtein“ Forschungsprojekts. Die Braumanufaktur steht für Innovationsgeist und setzt daher aktiv auf neue Wege. Vielleicht auch, weil durch den Standort Stralsund – mit Blick auf den Strelasund und die unmittelbare Nähe zum Ökosystem Ostsee – ein ganz anderer Umweltgedanke verankert ist. EAT BEER hat sich als eigenständig agierendes Schwesterunternehmen aus Störtebeker heraus gegründet. Daraus ergeben sich natürlich Synergien: Unser Technikum steht auf dem Gelände von Störtebeker, wir teilen uns teilweise Mitarbeiter und Expertise und nicht zuletzt nutzen wir den Treber von Störtebeker. Wir gehen gemeinsam den ersten großen Schritt Richtung Industrialisierung – dann kann Störtebeker den Treber neu verwerten und wir sind mit EAT BEER vollständig flugfähig.
Auf welche Bereiche hat sich Ihr Unternehmen spezialisiert?
Dr. Mark Schneeberger: Wir haben den Fermentationsprozess und die dafür notwendige Technik und Technologie entwickelt. Aktuell sind wir dabei, den Prozess auf Industriegröße zu skalieren. In Zukunft soll er mit Hilfe eines modularen Systems ortsunabhängig umsetzbar sein. Wir schaffen quasi eine „Pop-up-Fabrik“ für Brauereien an deren Standorten. Mittels KI und automatisierten Prozessen soll die Fermentation ohne zusätzliche Manpower vor Ort von uns remote vorgenommen werden. Daran arbeiten wir. Die Verarbeitung des Proteins liegt dann bei den Brauereien und deren Partnern.
Wie genau läuft ein solcher Prozess technisch ab? Wie funktioniert Ihre modulare Plattform genau?
Dr. Mark Schneeberger: Wir verfahren hier grundsätzlich nach bekannten Mustern: Zuerst haben wir einen Upstreaming-Prozess, mit dem der Treber für die Fermentation aufbereitet wird. Damit stellen wir z. B. sicher, dass keine Stoffe im Treber die Pilze bei ihrer Arbeit stören, und am Ende auch das erwartete Produkt entsteht. Die Fermentation selbst dauert dann ein paar Tage, ungefähr eine Woche. Anschließend wird im Downstream-Prozess das produzierte Pilzmyzel, also unser Protein, verwertbar und haltbar gemacht. Es muss ja lagerfähig sein und nutzbar für die verarbeitenden Firmen.
Das modulare System, so das Ziel, ist eine autonome und voll automatisierte Anlage, die kein Personal benötigt. Dark-Factory-Prinzip heißt das. Via KI lassen sich alle Prozesse in der Anlage von extern steuern. Dafür arbeiten wir übrigens mit renommierten und erfahrenen Unternehmen zusammen. So kommt die Anlage also in Containern an jeden beliebigen Standort, wird angeschlossen und läuft dann selbstständig, effizient und ressourcenschonend.
Wer sind Ihre Kunden? Welche neuen Möglichkeiten erhalten Sie durch EAT BEER?
Dr. Mark Schneeberger: Unsere Kunden werden mittlere und größere Brauereien sein, die ihren Treber nachhaltig nutzen möchten. Störtebeker ist Teil des Netzwerks „Die Freien Brauer“. Das hat uns bereits einige Türen geöffnet. Aber auch Großbetriebe haben bereits Interesse geäußert. Für konkrete Aussagen ist es aber noch zu früh.
Inwiefern trägt Ihre Lösung zur Kreislaufwirtschaft und zur nachhaltigen Nahrungsmittelversorgung bei? Welche Effekte konnten Sie durch die Nutzung der Nebenströme erzielen?
Dr. Mark Schneeberger: Bisher ist Biertreber, von dem in Deutschland jedes Jahr mehrere Millionen Tonnen anfallen, ein reiner Nebenstrom, der vorwiegend an die Landwirtschaft abgegeben wird. Mit EAT BEER können wir aus einem Rohstoff – nämlich Getreide – zwei völlig gleichwertige Lebensmittel herstellen und ermöglichen es Brauereien, zirkulär zu wirtschaften, nachhaltig und zukunftsorientiert zu produzieren und somit neue Absatz- und Umsatzmöglichkeiten zu schaffen. Dafür müssen sie sich aber weder die detaillierte Expertise aneignen, noch neue personelle Kapazitäten aufbringen.
Die Branche steht einigen großen Herausforderungen gegenüber, sei es der rückläufige Bierkonsum, die gestiegenen Energiepreise oder auch der gebeutelte Rohstoffmarkt. Wir bieten eine Lösung, nicht nur für Störtebeker, sondern für die ganze Branche.
Sie sind ein ausgewiesener Branchenexperte mit jahrelanger Erfahrung. Was sind Ihre Aufgaben bei EAT BEER und welche Stärken bringen Sie mit in das junge Unternehmen?
Dr. Mark Schneeberger: Ich bin tatsächlich jemand, der Projekte gerne aktiv anpackt und umsetzt und ich lasse mich von Herausforderungen nicht einschüchtern. Das ist für EAT BEER, das neue Prozesse entwickelt hat und damit neue Lebensmittelrohstoffe erzeugt, sicherlich eine Grundvoraussetzung.
Ich komme ja aus dem Anlagenbau, darum liegen der technische Betrieb unserer Fermentationsplattform und deren Skalierung auf Industriegröße in meiner Verantwortung. Das reicht von den Fermentationsprozessen bis zum Aufbau eines modularen Systems – langfristig eine unendliche Vielfalt an Aufgaben. Da wir mit EAT BEER aber ganz neue Wege gehen, kann auch ich nicht einfach nach einem bekannten Schema agieren. Wir müssen oft um die Ecke denken, uns Inspiration aus anderen Branchen wie Aviation holen und sehr viel ausprobieren.
Ein Thema, das mir persönlich wichtig ist, ist die Verbraucherakzeptanz hinsichtlich Alternativer Proteine. Wir können noch so innovativ sein und die schmackhaftesten Produkte kreieren, doch wenn sie im Supermarkt liegen bleiben, haben wir nichts gewonnen. Darum engagiere ich mich intensiv in Netzwerken, auf Plattformen und bei Veranstaltungen, um Aufmerksamkeit für das Thema Fermentation zu schaffen. Reallabore sind dabei ein wichtiges Stichwort.
Wir haben ein tolles Kernteam, in das jeder ganz unterschiedliche Kompetenzen einbringt, vor allem aber viel Leidenschaft. Das treibt uns gegenseitig jeden Tag aufs Neue an.
Wie sieht Ihre langfristige Vision aus? Denken Sie an Kooperationsmodelle, Lizenzvergabe oder weitere Produktinnovationen in anderen Bereichen der Lebensmittelindustrie?
Dr. Mark Schneeberger: Der Plattformgedanke und die Dezentralität von EAT BEER ist spannend für alle Brauereien deutschlandweit, oder sogar über die Grenzen hinweg. Das hängt ein wenig von den Zulassungsstellen für neue Lebensmittel ab und ist tatsächlich ein langfristiges Ziel. Ebenfalls in etwas fernerer Zukunft sehen wir die unzähligen Möglichkeiten, die Fermentation ansonsten bietet. Das geht weit über Proteine hinaus. Theoretisch ließe sich auch Bio-Plastik produzieren. In der nächsten Zeit fließt aber all unsere Energie in unser Kerngeschäft: die Fermentation von Biertreber zu Proteinen.























