Wer haftet für Hörschäden?

Gastbeitrag von Rechtsanwalt Marcus Stüting: Da lohnt es sich doch aufzuhorchen – Gäste, die durch laute Musik bei einem Festival oder Diskothekenbesuch einen Hörschaden erleiden, können grundsätzlich Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld verlangen. Und je nach Art der Verletzung – Tinnitus oder Trommelfellriss – kann das sogar ein vierstelliger Betrag sein.

Verantwortlich und damit auch zu verklagen sind der Veranstalter, der Clubbetreiber und der DJ. Sie trifft die sog. Verkehrssicherungspflicht. Der Laie mag bei diesem Begriff naheliegend zunächst an den Straßenverkehr denken und sich fragen, was dies mit der Lautstärke in einem Club zu tun hat. Unter Verkehrssicherungspflicht versteht der Jurist aber, dass jeder, der eine Gefahrenquelle für Andere schafft, die notwendigen und zumutbaren Maßnahmen treffen muss, um Schäden an Anderen zu verhindern. Klassisches Beispiel ist die Bananenschale im Eingangsbereich, auf der der Kunde ausrutscht und sich verletzt. Die Gefahr geht von der Bananenschale aus, die der Inhaber hätte wegräumen müssen. Ob aber nun Bananenschale oder lautstarke Musik, beides sind Gefahrenquellen für die Gesundheit. Und als Veranstalter von Musikkonzerten oder als Clubbetreiber hat man eben sicherzustellen, dass die Gäste keine Hörschäden erleiden.

In der rechtlichen Praxis wird zur Konkretisierung der geeigneten Maßnahmen zur ›Schadensverhinderung‹ auf DIN-Normen zurückgegriffen. DIN 15905, Teil 5 für ›Tontechnik in Theatern und Mehrzweckhallen‹ gibt neben bestimmten Vorgaben für Messverfahren einen Richtwert von 99 dB bezogen auf eine Beurteilungsdauer von zwei Stunden vor und beinhaltet zusätzlich eine Dokumentationspflicht. Durch die fortlaufende Messung des Lärmpegels sowie durch dessen Aufzeichnung oder Anzeige soll der Veranstalter in die Lage versetzt werden, den Schalldruck rechtzeitig herabzusetzen und so ein Überschreiten des Grenzwerts zu vermeiden. Beachtet der Veranstalter die genannten Vorgaben nicht – es fehlen etwa die Daten von erfolgten Messungen oder der Lärmpegel wurde nur gelegentlich mit einem Handmessgerät gemessen –, hält die Rechtsprechung eine Beweiserleichterung für den Geschädigten bereit: Nicht der Geschädigte muss dann beweisen, dass der Gehörschaden durch die zu laute Musik auf dem Konzert oder im Club zurückzuführen ist. Denn diesen Beweis zu führen, ist unter Umständen schwierig.

Vielmehr machen es die Richter dem Opfer leicht, denn es wird einfach vermutet, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Besuch der Lokalität und dem Gehörschaden besteht. Somit muss der Veranstalter nachweisen, dass nicht die Lautstärke Ursache für den Gehörschaden war. Eine respektable Beweisaufgabe, die der Veranstalter jetzt zu meistern hat. Noch nicht eindeutig geklärt ist, wie laut die Musik unmittelbar vor den Lautsprechern sein darf. Während zum einen die Einhaltung der genannten Grenzwerte auch in unmittelbare Nähe der Lautsprecher gefordert wird, betonen Richter anderer Gerichte, dass die Besucher auch selbst dafür verantwortlich seien, in welchem Maße sie sich der Beschallung aussetzen.

Die Band oder der DJ müssen grundsätzlich unabhängig von der jeweiligen Ausbildung damit vertraut sein, welche Gefahrensituationen für die Besucher aufgrund der Lautstärke und der sonstigen Gegebenheiten bestehen können. Ein DJ kann aber nicht für einen Hörschaden zur Verantwortung gezogen werden, der durch eine kurzeitige hohe Tonfrequenz in einem Musikstück verursacht wurde, dessen Gefährlichkeit und schädigende Wirkung nur durch einen Sachverständigen mittels mehrerer Tests festgestellt werden kann. Von einem DJ kann nicht erwartet werden, dass er die Tonfrequenzen eines jeden Stückes kennt und auf die möglicherweise zu einem Hörschaden führenden Sekunden reagiert. Der DJ muss sich bei der Beurteilung vielmehr auf sein subjektives Empfinden verlassen können.

Autor: Marcus Stüting, Rechtsanwalt // Co-Autorin Rechtsanwältin Barbara Wenker, Kanzlei Flick Gocke Schaumburg

Quelle: BARCALL Magazine | www.barcall-magazine.com

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