Dr. Monique Bissen

Mikroplastik im Trinkwasser

Dr. Monique Bissen ist eine erfahrene und anerkannte Expertin auf dem Gebiet der Wasseraufbereitung. Die gebürtige Luxemburgerin studierte Chemieingenieurwesen an der Universität Karlsruhe (Karlsruher Institut für Technologie) und promovierte im Bereich Wasserchemie. Für ihre Promotion erhielt sie von der Wasserchemischen Gesellschaft im Jahr 2003 den Promotionspreis. Sie ist Mitglied der Water Quality Association®. Zahlreiche ihrer Entwicklungen wurden patentiert.

about-drinks sprach im Interview mit Dr. Monique Bissen, Gründerin und Geschäftsführerin der ICon GmbH & Co. KG und Leiterin der Entwicklung neuer Technologien und Produkte, über Mikroplastik im Wasser, wie gefährlich dieses für uns ist und was wir dagegen unternehmen können.

Wie kommen Rückstände von Plastik in unser Trinkwasser?
Dr. Monique Bissen: Die Eintragungswege von Plastik in unser Trinkwasser sind vielfältig. Mikroplastik entsteht aus Reifenabrieb auf den Straßen, aus Kleidung aus Synthetikfasern, aus Kosmetika, aber auch aus unserem alltäglichen Verpackungsmüll. Das Problem: Es wird nicht biologisch abgebaut. Es braucht Jahrzehnte, teilweise Jahrhunderte, bis es zerfällt. Bei diesem Prozess entstehen immer kleinere Stücke, Mikro- und später Nanoplastik genannt, die in die Luft, den Boden und unsere Gewässer gelangen. Plastik ist in unserer Umwelt allgegenwärtig, in unseren Meeren, Flüssen und Seen. Es gelangt in unser Abwasser, ins Grundwasser und so letztlich auch in unser Trinkwasser. Die Partikel sind so klein, dass sie in Kläranlagen schon jetzt nicht mehr vollständig abgefangen werden können.

Wird Mikroplastik von den Wasserversorgern und Behörden grundsätzlich kontrolliert?
Dr. Monique Bissen: Nein. Obwohl die Sensibilität für unser Plastikproblem in Politik und Gesellschaft wächst und auch allgemein bekannt ist, dass Mikroplastik überall in unserer Umwelt vorhanden ist, gibt es für Mikroplastik im Trinkwasser keine Grenzwerte. Und es wird auch so schnell keine geben. Das EU-Parlament hat Ende 2018 einen Richtlinienentwurf zur Überarbeitung der Trinkwasserrichtlinie verabschiedet. Erstmals sollen auch der Gehalt von Mikroplastik und endokrinen Disruptoren im Trinkwasser überwacht, also lediglich auf eine Beobachtungsliste gesetzt werden. Dass die Richtlinie für eine unserer wertvollsten Ressourcen erstmals nach 20 Jahren eine Überarbeitung erfährt und es bis zur Verabschiedung des Rahmengesetzes und dessen Umsetzung noch Jahre dauern wird, zeigt zum einen, wie schwerfällig die Politik ist. Zum anderen zeigt es, dass Akteure außerhalb der Politik gefragt sind.

Welche Inhaltsstoffe in Trinkwasser lassen Ihnen als Chemikerin die Haare zu Berge stehen?
Dr. Monique Bissen: Neben Mikroplastikpartikeln finde ich Rückstände von Arzneimitteln, wie beispielsweise Schmerzmittel (Diclofenac, Ibuprofen) oder Antibiotika sehr bedenklich. Hinzu kommen Stoffe mit hormonähnlicher Wirkung, sogenannte endokrine Disruptoren. Diese Stoffe sind Bestandteile der Antibabypille. Sie sind aber auch in vielen künstlichen Produkten, wie zum Beispiel in Plastik, Kosmetikprodukten oder Textilien zu finden. Diverse andere organische chadstoffe , wie beispielsweise Rückstände und Abbauprodukte von Pestiziden, Insektiziden und Fungiziden gehören nicht in unser Trinkwasser. Auch Nitrat, das in der Landwirtschaft zum Düngen verwendet wird, ist für mich besorgniserregend. Aber es gibt auch andere Gefahrenquellen innerhalb des eigenen Hauses, die unser Trinkwasser verunreinigen können, bevor es am Wasserhahn ankommt: Dazu gehören beispielsweise veraltete Rohre aus Blei oder Bakterienvorkommen in den Leitungen. Auch solche Stoffe gehören nicht in unser Trinkwasser.

Welche von diesen Inhaltsstoffen kommen bereits heute in Leitungswasser oder auch in Mineralwässern vor?
Dr. Monique Bissen: Je nach Region finden sich bereits alle diese Stoffe in sehr geringen Mengen in unserem Leitungswasser. Und auch in Mineralwässern in Flaschen werden bei Tests immer wieder Mikroplastik, Pestizide und andere Rückstände nachgewiesen. Für einige dieser Stoffe gibt es Grenzwerte, die von den Wasserwerken geprüft und eingehalten werden, allerdings sind die Wasserwerke nur bis zum Hauseingang für die Einhaltung der Grenzwerte verantwortlich. Was von dort aus auf dem Weg bis zum Wasserhahn noch in das Trinkwasser gelangt, wird von keiner Behörde überwacht. Für die Wasserleitungen innerhalb des eigenen Haushalts steht der Hauseigentümer in der Verantwortung. Hinzu kommt, dass teilweise Grenzwerte nicht eingehalten werden: Durch Überdüngung wird beispielsweise in einigen Teilen Deutschlands der von der EU festgesetzte Grenzwert für Nitrat im Grundwasser überschritten. Erst Mitte 2018 wurde Deutschland vom Europäischen Gerichtshof verurteilt, da es zu wenig gegen den Stoff im Grundwasser tut und somit gegen den in der EU-Richtlinie festgeschriebenen Grenzwert verstößt. Das zeigt: Die Schadstoffe befinden sich bereits in unserem Wasserkreislauf. Zwar in kleinen Mengen, aber sie sind da.

Für welche Inhaltsstoffe sollte es Ihrer Meinung nach unbedingt Grenzwerte geben und warum?
Dr. Monique Bissen: Definitiv für Mikro- und Nanoplastik und für endokrine Disruptoren, denn diesen Stoffen konnten in ersten Untersuchungen bereits Auswirkungen auf den menschlichen Körper nachgewiesen werden. Für die Einführung von Grenzwerten auf EU-Ebene sind jedoch Langzeitstudien erforderlich. Die Wissenschaftler stehen bisher aber noch am Anfang ihrer Arbeit. Bis aus den Forschungsergebnissen Grenzwerte definiert werden, wird es noch dauern. Für Stoffe, von denen ein Gefährdungspotential ausgeht, muss das Vorsorgeprinzip gelten, um gesundheitliche Schäden mit Sicherheit auszuschließen. Wir brauchen also neue Technologien, die uns vor den potentiellen Gefahren dieser Schadstoffe im Trinkwasser schützen.

Wie gefährlich sind Plastikrückstände im Wasser?
Dr. Monique Bissen: Plastik schadet Gesundheit und Umwelt massiv – davon bin ich überzeugt. Das Gefährliche an Plastikrückständen im Wasser ist, dass sie für das bloße Auge nicht sichtbar sind. Sie gelangen in den menschlichen Körper und können dort Schaden anrichten. Erste Studien belegen das bereits, auch wenn die Forschung noch am Anfang steht. Das Umweltbundesamt hat herausgefunden, dass von Mikroplastik, das in unseren Körper gelangt, eine Gefährdung ausgeht. Die Zellen interagieren mit den Fremdstoffen und können sich durch sie verändern. Zudem können die Stoffe Entzündungen hervorrufen, die zu Folgeerkrankungen führen, so die Aussagen der Wissenschaftlerin des Umweltbundesamtes. Auch eine britische Toxikologin hat erst kürzlich bestätigt, dass menschliche Zellkulturen in Laborstudien auf Plastikpartikel reagieren. Sie geraten unter sogenannten oxidativen Stress, verursachen also eine Stoffwechselstörung. Das heißt, dass die Plastikpartikel neben Entzündungen auch Gewebeschäden auslösen können. Auch Depressionen oder Alzheimer- Krankheiten könnten durch Substanzen aus Plastik im Gehirn begünstigt werden.

Welche Möglichkeiten gibt es, um Mikroplastik und andere Stoffe aus dem Leitungswasser herauszufiltern?
Dr. Monique Bissen: Mit der zunehmenden Plastikflut wird es für die Wasserwerke langfristig unmöglich werden, Mikro- und Nanoplastikpartikel sowie andere Schadstoffe aus dem Wasser herauszufiltern. Für mich als Expertin ist daher die Filtration des Wassers zu Hause am eigenen Wasserhahn die einzige Lösung für sauberes Trinkwasser. Wasseraufbereiter für den Hausgebrauch gibt es bereits viele. Ich habe das Innenleben dieser Geräte sehr genau angesehen und untersucht, aus welchen Materialien sie produziert werden. In allen handelsüblichen Geräten ist ebenfalls Plastik verbaut, von dem wir jedoch weg müssen. Ich möchte Wassertrinken weltweit verändern. Mit meinem Unternehmen ICon habe ich mich auf Trinkwassersysteme spezialisiert, die mit einzigartigen Technologien und smarten Lösungen dort zum Einsatz kommen, wo sie dem Menschen am meisten nutzen: zu Hause am Wasserhahn. Das Gerät, an dem wir arbeiten, wird in Deutschland entwickelt und produziert werden.

Wie sehen Sie die Problematik in der Zukunft, falls man nicht bald einschreitet?
Dr. Monique Bissen: Mit dem, was die Menschheit in nicht einmal 100 Jahren an Plastik in all seinen Facetten in die Umwelt gegeben hat, hat sie eine zivilisatorische Grundlast geschaffen, mit der wir und insbesondere die nächsten Generationen massiv zu kämpfen haben werden. Schätzungen zufolge werden bis 2025 bis zu 250 Millionen Tonnen Plastik in unseren Ozeanen schwimmen. Da Plastik nicht natürlich abgebaut wird, gelangt es in seinem Zersetzungsprozess in die Umwelt und wird von Organismen aufgenommen. Wir müssen zum einen die Plastikflut massiv eindämmen. Genauso müssen wir uns bereits jetzt mit den potentiellen Gefahren durch Mikroplastik beschäftigen, um uns dann vor ihnen zu schützen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist absolut nicht absehbar, mit welchen Dimensionen und Konsequenzen wir rechnen müssen. Immense Herausforderungen in den nächsten Jahren.

+++ Wir bedanken uns bei Dr. Monique Bissen für das offene und sehr interessante Interview und wünschen Ihr weiterhin viel Erfolg! Wenn auch Sie eine interessante Marke haben, dann sollten wir uns unterhalten. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff „about-drinks Interview“ an redaktion@about-drinks.com – wir freuen uns auf Ihren Kontakt! +++

 

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